DAAD-Preis für Tony Tollefsen
20.09.2021
Internationale Studierende bereichern die Karlshochschule sowohl in kultureller als auch in akademischer Hinsicht. Um dies zu würdigen, stellt der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) jährlich Mittel zur Vergabe eines Preises an hervorragende ausländische Studierende zur Verfügung. In diesem Jahr wurde Tony Tollefsen (Bachelorstudiengang Management) ausgezeichnet. Tony stammt aus Norwegen und erhält für sehr gute Studienleistungen im Bachelorstudiengang Management und herausragendes Engagements im Bereich LGTBQIA+-Inklusivität den DAAD-Preis für hervorragende Leistungen internationaler Studierende 2021. Prof. Ella Roininen betont in ihrer Nominierung Tonys “großes persönliches und akademisches Engagement mit dem Ziel, das Verständnis von Karls-Studierenden und Mitarbeitenden im Hinblick auf Gender, sexuelle Identität und geschlechtergerechte Sprache zu erweitern.”
Tony Tollefsen im Interview
Welche Erfahrungen an der Karls haben dich am meisten geprägt?
Die Karlshochschule bietete verschiedene Möglichkeiten, sich zu engagieren und dabei sich selbst herauszufordern. Zum einen waren die beiden Initiativen Voices@Karls und Hakuna Matata für mich persönlich geeigenete Plattformen, um meine organisatorischen Fähigkeiten zu verbessern und herauszufinden, was mir wichtig ist. Zum anderen waren die zahlreichen Gruppenarbeiten während meines Studiums sehr herausfordernd, aber gleichzeitig auch besonders lehrreich. Neben der Verbesserung meiner Anpassungsfähigkeit und Auffassungsgabe lernte ich durch Gruppenarbeit auch, meine Grenzen anzuerkennen, meine Stärken zu identifizieren und rechtzeitig um Hilfe zu bitten. Darüber hinaus war für mich die Möglichkeit sowohl Studierende als auch Mitarbeitende im Hinblick auf Geschlechtsidentität und die Bedeutung von Sprache zu informieren, das Coolste, was ich geschafft habe. Ich bezweifle, dass mir dies woanders möglich bzw. erlaubt gewesen wäre.
Vor welchen Herausforderungen stehen internationale Studierende deiner Meinung nach?
Ich habe das Glück aus einem europäischen Land innerhalb des Schengen-Raums zu kommen, dass ein großzügiges öffentliches Darlehensprogramm für Studierende anbietet, sodass ich keine rechtlichen, bürokratischen oder finanziellen Schwierigkeiten in Deutschland habe. Hierdurch beschränken sich meine internationalen Erfahrungen auf die Sprachbarriere und kleinere kulturelle Unterschiede. Ich denke, dass obwohl die Hochschule selbst international ausgerichtet ist, es Herausforderungen mit sich bringt als Nicht-Muttersprachler*in in Deutschland zu leben – besonders im Hinblick auf das Unabhängigkeitsgefühl.
Wie unterstützt die Karls internationale Studierende? Was könnte deiner Meinung nach verbessert werden?
Eine der Stärken der Karls liegt darin, dass es in den meisten Fällen sehr einfach ist, um Unterstützung zu bitten. Ich hatte nie Angst davor, Professor*innen oder die Verwaltung zu kontaktieren. Aus dem Ausland zu kommen, ist an unserer Hochschule beinahe ein Vorteil. Leider ist es aufgrund der Sprachbarriere nicht möglich, an Workshops teilzunehmen, die außerhalb der Karls organisiert werden. Im Moment bin ich auf der Suche nach Hinweisen zu Praktikumsmöglichkeiten, die internationalen Studierenden ohne Deutschkenntnisse offenstehen.
Was motiviert dich zu deinem freiwilligen Engagement und worauf konzentrierst du dich im Moment besonders?
Ich war schon immer sozial engagiert. Seit meiner Teenager-Zeit interessiere ich mich für Feminismus und Naturschutz und versuche stets, mich in diesen Bereichen weiterzubilden. Als Mitglied der LGBTQIA+-Gemeinschaft konzentriere ich mich verständlicherweise besonders auf Themen, die mit Queerness in Verbindung stehen, da ich das Gefühl habe, dass ich dies besonders gut repräsentieren kann.
Innerhalb des vergangenen Jahres habe ich an einem Sensibilisierungsprojekt für geschlechtergerechte Sprache gearbeitet. Ich möchte dieses Projekt gerne weiterführen und unsere Hochschule dazu motivieren, vermehrt sozial-inklusives Handeln anzustreben. Mein Engagement an der Karls begann nachdem ich einige unangenehme Erfahrungen auf dem Campus gemacht habe, die mich dazu gebracht haben, auf das mangelnde Bewusstsein im Hinblick auf Geschlechtsidentität an unserer Hochschule aufmerksam zu machen. Nach Gesprächen mit Ella, wurde ich dazu eingeladen, eine Präsentation zu Geschlechtsidentität und inklusiver Sprache zu erstellen, an der auch mein Freund und Kommilitone Sean Nyabela beteiligt war. Ich freue mich auf die Weiterführung des Projekts und darauf, unsere Hochschule dazu zu motivieren, verstärkt auf gesellschaftlich unklusives Handeln zu achten.
Wie sehen deine Pläne für die Zeit nach dem Studium aus?
Mein Studium an der Karls habe ich mit dem Ziel begonnen, mich für eine administrative Position in der Kreativbranche zu qualifizieren. Besonders interessiere ich mich für darstellende und bildende Kunst. Früher hatte ich ein schlechtes Gewissen, dass ich keinen Job anstrebe, der in einem direkten Zusammenhang mit Naturschutz oder Menschenrechten stünde, aber ich bin auch der Meinung, dass Kunst wichtig ist, Gemeinschaft zu bilden und das Zugehörigkeitsgefühl zu stärken. Ich möchte Menschen oder Gemeinschaften dabei helfen, zugängliche Projekte durchzuführen, die zu sozialer Teilhabe, Selbstentfaltung und kritischer Reflektion anregen. Ich bin mir noch nicht ganz sicher, wie meine Tätigkeit genau aussehen wird, aber ich bin zuversichtlich, dass ich möglicherweise bei einem lokalen Kunstzentrum anfangen kann. Auch mein Engagement für die LGBTQIA+-Gemeinschaft möchte ich sehr gerne weiterführen. Ich könnte mir vorstellen, für eine internationale Organisation zu arbeiten und Transgender-Rechte in Europa zu stärken.
Was gefällt dir am meisten an Deutschland/Kalsruhe?
Deutschland hat eine 15-mal höhere Bevölkerungszahl als Norwegen und ist deswegen automatisch kulturell interessanter. Ich genieße die kulturelle Vielfalt, die mit der Landesgröße und der Lage Deutschlands in Mitteleuropa einhergeht. Erstaunlich finde ich auch den Anteil an regionalen und nationalen Produkten und Geschäften. Ich kaufe sehr gerne regional ein, was hier viel einfacher ist und habe Spaß daran, neue deutsche Marken zu entdecken. Deutschland ist auch in der Hinsicht ein faszinierendes Land, dass es in manchen Aspekten langsam und rückständig wirkt, gleichzeit jedoch auch äußerst innovativ ist (z.B. Technologiebranche vs. bürokratische Infrastruktur).